Gut meinen ist noch lange nicht gut (Rezension)



Warum ein gut meinender politischer Moralismus in sein exaktes Gegenteil umschlagen kann, das demonstriert Maternus Millett in einer gesalzenen Streitschrift, die Strukturen aufdeckt, aber kaum Lösungen anbietet. Von Christoph Rohde


Nicht nur Henryk M. Broder oder Ralph Giordano beklagen die verkrampften Versuche einer „political correctness“, die Mitglieder der Öffentlichkeit durch einen vereinfachenden Moralismus zu guten Staatsbürgern zu erziehen. Auch Maternus Millett, Journalist und Kosmopolit, glaubt, dass heute die Wohltäter herrschen, wo früher die Gewalttäter am Zug waren. Doch damit ist die Welt nicht einfach besser geworden, glaubt er. Seine Polemik Das Schlechte am Guten – Weshalb die politische Korrektheit scheitern muss baut auf Intuition, entwickelt aufgrund spitzer und kreativer Formulierungen jedoch eine Dynamik, die zum Weiterlesen zwingt, ob man jedem Argument zustimmt oder nicht.


Die Eigeninteressen der Geschichtsbewältigungsindustrie


Millett karikiert die Eigenarten des deutschen Umgangs mit der eigenen Geschichte. Ähnlich wie Broder ist er nicht gegen eine ehrlichen Umgang mit der eigenen Geschichte. Er wendet sich jedoch gegen die übertriebenen Betroffenheitsrituale, die aufgrund ihres Mangels an Authentizität eher abstoßend wirkten. Die Politische Korrektheit in Deutschland wird jedoch von einer bestimmten Klientel gesteuert, die in mehrfacher Hinsicht von bestimmten Meinungsstrukturen profitiere, so der Autor:


„Politische Korrektheit kann daher als Überreaktion der Nachgeborenen auf die von ihren Groß- und Urgroßeltern verbrochene Verfolgung und Ermordung von Minderheiten verstanden werden. Sie speist sich aus den stellvertretenden Scham- und Schulgefühlen jener, die diese Vergehen zwar nicht begangen haben, sich die Beschäftigung damit jedoch leisten können und wohl auch müssen, um zu Wichtigkeit, Sozialprestige moralischer Überlegenheit und wirtschaftlichem Auskommen zu gelangen.“ Für Millett sind es bestimmte gesellschaftliche Interessengruppen, die die Sprache zu ihren Gunsten zu manipulieren versuchen.


Die Umkehrung falscher Ideale
Die Politische Korrektheit führt zu dem Phänomen, dass ihre Gegner geradezu gezwungen werden, mit Überpointierungen und Gegenprovokationen auf die empfundenen rhetorischen Gängelungen zu reagieren. Damit verstärken sich ideologische Polarisierungen, die konkreten gesellschaftlichen Problemlösungen zuwider laufen. Millett wirft den „Gutmenschen“ vor, die totale Moral etablieren zu wollen. Aus der faschistischen Verherrlichung des „Männlichen, Starken und Schönen“ sei eine Verklärung des „Opfers, des Schwachen und des Weiblichen“ geworden. Millett kritisiert nicht per se das Eintreten für Ideale wie die Vermeidung von Diskriminierung, aber er moniert, dass die Gesinnungsethiker ihre Ziele durch Strategien moralischer Erpressung und der Penetrierung staatlicher und gesellschaftlicher Institutionen durchsetzten. Damit würden Andersdenkende unvermeidlich unter einen unzumutbaren Rechtfertigungsdruck gesetzt.

Besonders hart fällt die Kritik an den Gender-TheoretikerInnen aus, die Männer als Täter zeichneten und als Lösung des Problems die Geschlechtsneutralisierung anböten. Der geschlechtsneutrale, „tolerante“ Mensch, als Kunstprodukt kreiert, gelte als Lösung für das Problem des willensfreien und konfliktanfälligen Individuums. Milletts Mission ist es, einer artifiziellen Gesellschaft Widerstand zu leisten, die den Menschen bewusst von einem Daueralimentierungssystem abhängig mache – Wohlstandsverwahrlosung statt Freiheit mit allen damit verbundenen Möglichkeiten und Risiken.
Originelle Diagnose, merkwürdige Therapie
Am Ende verlässt der Autor seinen roten Faden, indem er als Alternative zu der von ihm diagnostizierten übertriebenen gesellschaftlichen Normierung lediglich persönliche Erfahrungen anbietet. Die konstruktive Antwort auf die von Millett teilweise zu Recht empfundenen Missstände einer sprachregelungswütigen Gesellschaft besteht lediglich in einem Aussteigen, einer Flucht in das von ihm als authentischer empfundene Lateinamerika, das von vielen Einheimischen nur als Quell von Elend empfunden wird. Hier wäre stattdessen das Aufzeigen von Strategien sinnvoll gewesen, die die Entwicklung von reifen politischen Diskursen ermöglichten und damit demokratische Prozesse förderten.
Dennoch: Die spitzfedrige und humorvolle Polemik ist auch für Leser interessant, die die Schärfe der Diagnose des Verfassers nicht teilen. Die letzten vierzig Seiten des Buches hätte man sich jedoch sparen können.
Millett, Maternus: „Das Schlechte am Guten. Weshalb die politische Korrektheit scheitern muss.“
Solibro Verlag, Münster, 2011, 221 Seiten
ISBN 978-3-932927-46-1, 12,80 Euro

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